Der Schmerzkörper

Aus: Eckhart Tolle, Eine neue Erde, Arkana 2005, S. 140 – 170

Übersicht:

Die Geburt der Empfindung
Emotion und Ego
Die Ente mit dem Menschenverstand
Die Last der Vergangenheit
Der individuelle und der kollektive Schmerzkörper
Wie sich der Schmerzkörper erneuert
Wie Gedanken den Schmerzkörper nähren
Wie Dramatik den Schmerzkörper nährt
Massive Schmerzkörper
Unterhaltung, Medien und der Schmerzkörper
Der kollektive weibliche Schmerzkörper
Der Schmerzkörper von Völkern und Rassen

Das Denken geschieht bei den meisten Menschen unfreiwillig und automatisch und wiederholt sich ständig. Es ist nichts weiter als eine Art mentales Rauschen und erfüllt keinen echten Zweck. Genau genommen denkst du gar nicht: Das Denken widerfährt dir einfach. Die Feststellung „ich denke“ verweist auf einen Willensakt. Sie impliziert, dass du in dieser Angelegenheit mitreden kannst, dass du die Entscheidungsfreiheit hast. Bei den meisten Menschen trifft dies noch nicht zu. „Ich denke“ ist eine ebenso falsche Behauptung wie „ich verdaue“ oder „ich lasse mein Blut kreisen“. Die Verdauung läuft selbstätig, das Blut zirkuliert von alleine, das Denken geschieht ohne mein Zutun.

Die Stimme im Kopf hat ein Eigenleben. Die meisten Menschen sind dieser Stimme ausgeliefert, das heißt, sie sind vom Denken, vom Verstand besessen. Und da das Denken durch die Vergangenheit konditioniert ist, bist du gezwungen, die Vergangenheit ständig neu durchzuspielen. Der östliche Begriff dafür lautet Karma. Wenn du dich mit jener Stimme identifizierst, weißt du es natürlich nicht. Wenn du es wüsstest, würde sie nicht länger von dir Besitz ergreifen, denn du bist nur dann wirklich besessen, wenn du das besitzergreifende Etwas für das hältst, was du bist, das heißt, wenn du mit ihm eins wirst.

Seit Tausenden von Jahren lässt sich die Menschheit immer mehr vom Denken vereinnahmen und schafft es nicht, den Vereinnahmer als „Nichtselbst“ zu erkennen. Durch die vollkommene Identifikation mit dem Verstand ist ein falsches Ich – das Ego – entstanden. Die Festigkeit des Ego hängt davon ab, wie stark du – das Bewusstsein – dich mit deinem Verstand identifizierst, mit dem Denken. Das Denken ist nichts weiter als ein winziger Aspekt der Totalität des Bewusstseins, der Totalität, die du bist.

Der Grad der Identifikation mit dem Verstand ist von Mensch zu Mensch verschieden. Manche Leute sind bisweilen frei vom Denken, sei es auch noch so kurz, und der Frieden, die Freude und die Lebendigkeit, die sie in solchen Augenblicken erfahren, machen das Leben lebenswert. Es sind auch die Momente, in denen Kreativität, Liebe und Mitgefühl aufsteigen. Andere sind ständig in ihrem Egozustand gefangen. Sie sind sich selbst, aber auch anderen und ihrer Umwelt entfremdet. Wenn du sie anschaust, siehst du vielleicht die Anspannung in ihrem Gesicht, die gerunzelte Stirn, oder den abwesenden Blick in ihren Augen. Ihre Aufmerksamkeit wird überwiegend vom Denken beansprucht, und deshalb sehen sie dich gar nicht richtig und hören dir auch nicht richtig zu. Sie sind in keiner Situation präsent, da sie mit ihrer Aufmerksamkeit entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft weilen, die natürlich nur als Gedankenformen im Kopf existieren. oder sie treten durch irgendeine Rolle, die sie spielen, mit dir in Beziehung und sind deshalb gar nicht sie selbst. Die meisten Menschen sind sich selbst fremd, manchmal in solchem Maße, dass die Art und Weise, wie sie sich verhalten und mit ihren Mitmenschen interagieren von fast allen anderen als „aufgesetzt“ erkannt wird, außer von Leuten, die ebenso gekünstelt und ihrem wahren Kern entfremdet sind. Entfremdet zu sein bedeutet, dass du dich in jeder x-beliebigen Situation, an jedem Ort und in jeder Gesellschaft einschließlich deiner eigenen unbehaglich fühlst. Du versuchst stets, „zu Hause“ zu sein, schaffst es aber nie. Einige der größten Dichter des 20. Jahrhunderts wie Franz Kafka, Albert Camus, T. S. Eliot und James Joyce sahen in der Entfremdung das universale Dilemma des menschlichen Daseins, sie spürten es vermutlich tief in ihrem eigenen Innern und konnten deshalb so meisterhaft darüber schreiben. Sie haben keine Lösung anzubieten. Ihr Beitrag besteht darin, uns ein Abbild der menschlichen Zwangslage zu zeigen, damit wir sie besser erkennen können. Die eigene Zwangslage einzusehen ist der erste Schritt, um schließlich darüber hinauszugelangen.

Die Geburt der Empfindung

Neben der Denktätigkeit, aber nicht völlig getrennt von ihr, gibt es noch eine andere Dimension des Ego: die Empfindung. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass alles Denken und Fühlen dem Ego zuzurechnen ist. Es verwandelt sich nur in Ego, wenn du dich damit identifizierst und so davon beherrscht wirst, dass es zum Ich wird.

Der physische Organismus, dein Körper, besitzt eine eigene Intelligenz, ebenso wie der Organismus aller anderen Lebensformen. Diese Intelligenz reagiert auf das, was dein Verstand sagt, sie reagiert auf deine Gedanken. Empfindung ist also die Reaktion des Körpers auf das, was du denkst. Die Körperintelligenz ist selbstverständlich ein untrennbarer Bestandteil der universellen Intelligenz und eine ihrer unzähligen Manifestationen. Sie gibt den Atomen und Molekülen, aus denen dein physischer Körper besteht, vorübergehend Zusammenhalt. Sie ist das Ordnungsprinzip hinter dem Zusammenwirken aller Organe des Körpers, der Umwandlung von Sauerstoff und Nahrung in Energie, dem Herzschlag und dem Blutkreislauf, dem Immunsystem, das den Körper vor Eindringlingen schützt, und der Umsetzung von Sinneseindrücken in Nervenimpulse, die zum Gehirn weitergeleitet, dort entschlüsselt und wieder zu einem kohärenten inneren Bild der äußeren Wirklichkeit zusammengesetzt werden. All diese und noch tausende andere Funktionen gleichzeitig werden von der Körperintelligenz perfekt wahrgenommen. Du hältst deinen Körper nicht in Gang. Das tut seine Intelligenz. Sie trägt zudem die Verantwortung für die Reaktionen des Organismus auf seine Umwelt.

Das gilt für alle Lebensformen. Es ist die gleiche Intelligenz, die der Pflanze ihre physische Form gibt und als Blüte aus der Pflanze hervorgeht, als Blütenkelch, der sich am Morgen öffnet, um die Strahlen der Sonne zu empfangen und am Abend wieder schließt. Es ist die gleiche Energie, die sich als Gaia manifestiert, als der komplexe, lebendige Organismus, den wir Erde nennen.

Dieser Intelligenz entspringen auch die instinktiven Reaktionen des Körpers auf eine Bedrohung oder Herausfor­derung. Bei Tieren löst sie Regungen aus, die menschlichen Emotionen gleichen: Wut, Angst, Lust. Diese Triebe können als ursprüngliche Empfindungsformen verstanden werden. In gewissen Situationen legen Menschen ähnliche Instinktreaktionen an den Tag wie Tiere. Angesichts einer Gefahr, wenn das Überleben des Organismus bedroht ist, schlägt das Herz schneller, spannen sich die Muskeln an und beschleunigt sich die Atmung, alles zur Vorbereitung auf einen Kampf oder auf Flucht. Urangst. In die Enge getrieben, erfährt der Körper plötzlich einen intensiven Energieschub, der ihm eine Kraft verleiht, die er zuvor nicht hatte. Urwut. Diese instinktive Reaktion gleicht einer Empfindung, ist aber im Wortsinne keine Emotion. Der grundlegende Unterschied zwischen einer Triebreaktion und einer Emotion ist folgender: Eine instinktive Reaktion ist die unmittelbare Reaktion des Körpers auf äußere Umstände. Eine Emotion hingegen ist eine durch Denken ausgelöste Körperreaktion.

Indirekt kann eine Empfindung auch eine Reaktion auf eine aktuelle Situation oder ein aktuelles Ereignis sein, aber diese Reaktion hat bereits den Filter einer mentalen Interpretation durchlaufen, ist bereits durchdacht worden. Das heißt, sie wurde schon mit den Vorstellungen von gut und schlecht, mögen und verabscheuen, »mein« und »dein« abgeglichen. Es wird dich zum Beispiel sicher kalt lassen, wenn du hörst, dass jemandem das Auto gestohlen wurde, aber wenn es sich um dein Auto handelt, bist du höchstwahrscheinlich sauer. Es ist erstaunlich, was ein mentales Konzept wie »mein« auslösen kann.

Obwohl der Körper sehr intelligent ist, vermag er nicht zwischen einer tatsächlichen Situation und einem Gedanken zu unterscheiden. Er reagiert auf Gedachtes genauso als wäre es Wirklichkeit. Er weiß nicht, dass es sich bloß um einen Gedanken handelt. Für den Körper bedeutet ein besorgter, angstvoller Gedanke: »Ich bin in Gefahr«, und entsprechend reagiert er, selbst wenn es Nacht ist und du behaglich im warmen Bett liegst. Das Herz schlägt schneller, die Muskeln spannen sich an, die Atmung beschleunigt sich. Energie wird aktiviert, aber da die Gefahr nur eine Fiktion ist, hat sie kein Ventil. Dann wird sie zum Teil dem Verstand zugeführt und löst dort noch beunruhigendere Gedanken aus. Die übrige Energie wirkt sich vergiftend auf das harmonische Zusammenwirken der Körperfunktionen aus.

Emotion und Ego

Ego ist nicht nur das unkontrollierte Denken, die Stimme im Kopf, die vorgibt, du zu sein, sondern auch die unkontrollierte Empfindung, die den Körper auf das reagieren lässt, was die Stimme im Kopf sagt.

Wir haben schon gesehen, in welcher Art von Gedanken die Stimme des Ego meistens schwelgt, und kennen die strukturelle Gestörtheit, die diesen Denkvorgängen unabhängig von ihrem Inhalt eigen ist. Auf dieses gestörte Denken reagiert der Körper mit negativen Empfindungen.

Die Stimme im Kopf erzählt eine Geschichte, an die der Körper glaubt und auf die er reagiert. Diese Reaktionen sind die Emotionen. Die Emotionen wiederum führen den Gedanken, durch die sie überhaupt erst hervorgerufen wurden, neue Energie zu. Ein Teufelskreis aus ungeprüften Gedanken und Empfindungen entsteht, der emotionales Denken und Geschichtenerfinden auslöst.

Die emotionale Komponente des Ego ist bei jedem Menschen anders. Bei manchen Egos ist sie größer. Gedanken, die emotionale Reaktionen im Körper auslösen, schießen manchmal so schnell durch den Kopf, daß der Körper schon mit Empfindungen aufwartet, noch ehe der Verstand Zeit hatte, sie in Worte zu fassen, und sie in eine Reaktion verwandelt. Solche Gedanken existieren auf einer vorverbalen Ebene und können als stillschweigende, unbewusste Annahmen bezeichnet werden. Sie stammen aus früheren Konditionierungen der betreffenden Person normalerweise aus der frühen Kindheit. »Den Menschen ist nicht zu trauen« wäre ein Beispiel für eine solche unbewusste Annahme bei jemandem, dessen Ursprungsbeziehungen — die zu Eltern und Geschwistern — keine Hilfe für ihn waren und kein Vertrauen in ihm begründeten. Hier ein paar der gebräuchlichsten unbewussten Annahmen: »Niemand mag und respektiert mich« »Man muss kämpfen, um zu überleben« »Es ist nie genug Geld da« »Das Leben ist eine einzige Enttäuschung« »Ich verdiene keinen Überfluss« »Ich verdiene keine Liebe«. Unbewusste Annahmen erzeugen Empfindungen im Körper, die umgekehrt wieder die Geistestätigkeit anregen und/oder Sofortreaktionen auslösen. So wird deine persönliche Realität erschaffen.

Die Stimme des Ego greift ständig störend in das natürliche Wohlbefinden des Körpers ein. Fast jeder menschliche Körper ist starkem Stress und Druck ausgesetzt, nicht weil er durch äußere Faktoren bedroht würde, sondern von innen her, durch sein Denken. Mit dem Körper ist ein Ego verbunden, und er kann nicht anders, als auf all die gestörten Denkmuster zu reagieren, aus denen es sich zusammensetzt. Daher ist der unaufhörliche Strom zwanghafter Gedanken von einem Strom negativer Emotionen begleitet.

Was ist eine negative Emotion? Eine Emotion, die sich schädlich auf den Körper auswirkt, ihn aus dem Gleichgewicht bringt und daran hindert, harmonisch zu funktionieren. Angst, Unruhe, Wut, Groll, Traurigkeit, Hass, Abscheu, Eifersucht und Neid, all das unterbricht den Energiestrom im Körper und greift das Herz, das Immunsystem, die Verdauung, die Hormonproduktion und vieles mehr an. Selbst die Schulmedizin, die noch sehr wenig über das Wirken des Ego weiß, erkennt allmählich eine Verbindung zwischen negativen Gemütsregungen und physischen Erkrankungen. Eine Emotion, die dem Körper schadet, teilt sich auch den Menschen mit, die mit dir in Berührung kommen, und so werden durch eine Kettenreaktion zahllose Unbeteiligte indirekt in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt einen Oberbegriff für alle negativen Emotionen: das Unglücklichsein.

Haben positive Emotionen den entgegengesetzten Einfluss auf den physischen Körper? Stärken sie das Immunsystem, kräftigen und heilen sie den Körper? Das tun sie tatsächlich, aber wir müssen unterscheiden zwischen positiven Emotionen, die vom Ego ausgehen, und den tieferen Empfindungen, die der natürliche Zustand der Verbundenheit mit dem Sein hervorbringt.

Positive Emotionen, die vom Ego kommen, bergen bereits das Gegenteil in sich, in das sie sich schnell verwandeln. Hier ein paar Beispiele: Was das Ego Liebe nennt, ist Besitzergreifung und Anklammern und kann in Sekundenschnelle in Hass umschlagen. Die Vorfreude auf etwas, die durch eine vom Ego ausgehende Überbewertung der Zukunft aufkommt, schlägt leicht ins Gegenteil um — in Frustration und Enttäuschung —, wenn das betreffende Ereignis vorbei ist oder die Erwartungen des Ego nicht erfüllt. Den einen Tag ist man aufgekratzt und glücklich, weil man Lob und Anerkennung erfährt, und den anderen fühlt man sich zurückgesetzt und ist unglücklich, weil man kritisiert oder ignoriert wird. Auf eine wilde Party, die freudig genossen wurde, folgen am nächsten Morgen die Ernüchterung und ein Kater. Es gibt nichts Gutes ohne Schlechtes, kein Hoch ohne Tief.

Vom Ego ausgelöste Emotionen rühren von der Identifikation des Verstandes mit äußeren Faktoren her, die natürlich flüchtig sind und sich jeden Augenblick verändern können. Die tieferen Empfindungen sind im Grunde gar keine Emotionen, sondern Seinszustände. Emotionen gehören ins Reich der Gegensätze. Seinszustände können zwar verschleiert werden, aber sie haben kein Gegenteil. Sie entspringen deinem Inneren als die Liebe, die Freude und der Frieden, die Aspekte deines wahren Wesens sind.

Die Ente mit dem Menschenverstand

In meinem Buch Jetzt! Die Kraft der Gegenwart habe ich beschrieben, wie sich zwei Enten nach einer Auseinandersetzung, die nie lange dauert, trennen und in verschiedene Richtungen davonschwimmen. Jede für sich schlägt ein paarmal kräftig mit den Flügeln, um die überschüssige Energie freizusetzen, die sich während des Kampfes aufgebaut hat. Nach dem Flügelschlagen schwimmen sie wieder friedlich umher, als ob nichts geschehen wäre.

Wenn die Ente Menschenverstand hätte, würde sie die Auseinander­setzung im Geiste lebendig erhalten, indem sie die Geschichte weiterspinnt. So würde die Entengeschichte dann wahrscheinlich gehen: »Ich glaub’s einfach nicht, was er da gerade gemacht hat. Er ist bis auf 15 Zentimeter an mich herangeschwommen. Er denkt wohl, der Teich gehört ihm! Meine Privatsphäre ist ihm völlig schnurz. Ich werde ihm nie mehr vertrauen. Nächstes Mal probiert er wahrscheinlich etwas anderes aus, nur um mich zu ärgern. Bestimmt führt er schon etwas im Schilde. Aber ich lasse das nicht mit mir machen. Ich werde ihm eine Lektion erteilen, die er nie vergessen wird.« In Gedanken geht die Geschichte also immer weiter, und noch Tage, Monate oder sogar Jahre später wird weiter daran gedacht und davon geredet. Was den Körper betrifft, ist der Kampf noch in vollem Gange, und die Energie, die der Körper in Reaktion auf all die Gedanken erzeugt, sind Empfindungen, die wiederum das Denken neu beflügeln. Daraus wird das emotionale Denken des Ego. Man sieht gleich, wie proble­matisch das Entenleben sich gestalten würde, wenn die Ente Menschenverstand hätte. Den meisten Menschen ergeht es aber die ganze Zeit über so. Keine Situation und kein Ereignis ist je wirklich beendet. Dafür sorgen der Verstand und das erdachte Ich mit seiner Geschichte.

Wir sind eine Spezies, die sich verirrt hat. Alles Natürliche, sei es eine Blume, ein Baum oder ein Tier, kann uns eine wichtige Lektion erteilen, wenn wir nur innehalten, hinschauen und lauschen. Die Entengeschichte lehrt uns Folgendes: Schlag mit den Flügeln — was im übertragenen Sinne heißt: Hör auf, die Geschichte weiterzuspinnen, und kehre zum einzigen Ort der Kraft zurück — zum gegenwärtigen Augenblick.

Die Last der Vergangenheit

Die Unfähigkeit — oder eher Unwilligkeit — des menschlichen Verstandes, die Vergangenheit fahren zu lassen, wird besonders anschaulich in der Geschichte von den zwei Zen-Mönchen Tanzan und Ekido beschrieben. Sie waren einmal auf einer Landstraße unterwegs, die nach schweren Regen­fällen völlig aufgeweicht war. In der Nähe eines Dorfes begegneten sie einer jungen Frau, die die Straße überqueren wollte, aber der Schlamm war so tief, dass er ihren Seidenkimono verdorben hätte. Tanzan hob sie sofort auf und trug sie auf die andere Seite.

Danach gingen die Mönche schweigend weiter. Fünf Stunden später, als sie sich dem Tempel näherten, in dem sie logierten, konnte Ekido sich nicht länger beherrschen: ›Wie konntest du nur die Frau über die Straße tragen?«, sagte er. »Wir Mönche dürfen so etwas doch nicht tun!«

»Ich habe die Frau vor Stunden abgesetzt«, sagte Tanzan »Trägst du sie noch immer?«

Wenn du dir einmal vorstellst, wie das Leben für jemanden wäre, der die ganze Zeit über wie Ekido lebte und aus Unfähigkeit oder Unwillen, sich innerlich von einer Situa­tion zu lösen, immer mehr »Zeug« in seinem Innern an­häufte, bekämst du einen Eindruck davon, wie das Leben für die Mehrzahl der Menschen auf dieser Erde aussieht, wie schwer sie an der Vergangenheit tragen, die sie in Gedanken mit sich herumschleppen.

Die Vergangenheit ist als Erinnerung in dir lebendig, aber die Erinnerungen an sich sind nicht das Problem. Vielmehr lernen wir durch Erinnerungen aus der Vergangenheit und aus früheren Fehlern. Nur wenn Erinnerungen, das heißt Gedanken an die Vergangenheit, so von dir Besitz ergreifen, dass sie zu einer Last werden, sind sie problematisch und fliegen in dein Selbstgefühl ein. Dann wird deine Persönlichkeit, die durch die Vergangenheit konditioniert wurde, zum Gefängnis für dich. Denn deine Erinnerungen sind mit Selbstgefühl befrachtet, und aus deiner Geschich­te beziehst du deine Identität. Dabei ist dieses »kleine Ich« eine Illusion, die deine wahre Identität als zeitlose, formlose Präsenz verdunkelt.

Deine Geschichte setzt sich allerdings nicht nur aus mentalen, sondern auch aus emotionalen Erinnerungen zusammen – aus alten Empfindungen, die fortwährend wiederbelebt werden. Ebenso wie der Mönch, der an seiner Entrüstung fünf Stunden lang schwer trug, indem er ihr in Gedanken Nahrung gab, schleppen die meisten Menschen ihr Leben lang einen Berg von unnötigem Ballast, mentalem wie emotionalem, mit sich herum. Sie schränken sich selbst durch Klagen, Bedauern, Hass und Schuldgefühle ein. Ihr emotionales Denken ist zu ihrem Selbst geworden, und so halten sie an den alten Emotionen fest, weil diese ihre Identität stärken.

Aufgrund ihrer Neigung, alte Emotionen lebendig zu erhalten, tragen fast alle Menschen in ihrem Energiefeld eine Sammlung von altem emotionalem Schmerz mit sich herum, die ich den »Schmerzkörper« nenne.

Wir können jedoch damit aufhören, dem Schmerzkörper, den wir schon haben, noch mehr Ballast hinzuzufügen. Wir können lernen, mit der Gewohnheit des Ansammelns und Wiederauflebenlassens alter Emotionen zu brechen, indem wir, bildhaft gesprochen, nur mit den Flügeln schlagen und davon ablassen, mental in der Vergangenheit zu verweilen, wobei es egal ist, ob etwas am Vortag oder vor dreißig Jahren geschehen ist. Wir können lernen, keine Situationen und Ereignisse im Geist lebendig zu erhalten, sondern unsere Aufmerksamkeit lieber auf den ursprünglichen, zeitlosen gegenwärtigen Augenblick zu richten, statt uns in einen mentalen Film verwickeln zu lassen. Anstelle der Gedanken und Emotionen wird dann endlich unsere Präsenz zu unserer Identität.

Nichts aus der Vergangenheit kann dich davon abhalten, jetzt gegenwärtig zu sein; und wenn dich die Vergangenheit nicht davon abhalten kann, jetzt präsent zu sein, welche Macht hat sie dann noch?

Der individuelle und der kollektive Schmerzkörper

Jede negative Emotion, die nicht genau betrachtet und als das erkannt wird, was sie im Augenblick ihrer Entstehung ist, löst sich nicht vollständig auf. Sie hinterlässt einen Restschmerz.

Besonders Kinder werden von starken negativen Emotionen zu sehr überwältigt, um damit umgehen zu können, und wollen sie daher möglichst gar nicht zulassen. Wenn kein voll bewusster Erwachsener da ist, der sie mit Liebe und mitfühlendem Verständnis dazu anleitet, sich unmittelbar mit der Empfindung auseinander zu setzen, bleibt dem Kind im Grunde nichts anderes übrig, als sie zu verdrängen. Leider erhält sich dieser frühe Abwehrmechanismus meist bis ins Erwachsenenalter. Die Emotion lebt unerkannt in dem Kind weiter und manifestiert sich indirekt, zum Beispiel in Form von Angst, Wut, Gewaltausbrüchen, Launenhaftigkeit oder gar als physische Erkrankung. Oftmals steht sie auch intimen Beziehungen entgegen oder untergräbt diese. Die meisten Psychotherapeuten kennen Patienten, die anfangs behaupteten, eine sehr glückliche Kindheit erlebt zu haben, bei denen sich später das Gegenteil als zutreffend erweist. Das sind vielleicht Extremfälle, aber niemand durchlebt eine Kindheit, ohne emotionale Schmerzen zu leiden. Selbst wenn beide Eltern erleuchtet wären, würde das Kind noch immer in einer weitgehend unbewussten Welt aufwachsen.

Die Schmerzreste, die jede starke negative Emotion zurücklässt, mit der man sich nicht auseinander gesetzt und die man nicht akzeptiert und dann fahren lassen hat, verbinden sich miteinander zu einem Energiefeld, das in den Körperzellen lebt. Es besteht nicht nur aus Kindheitsschmerz, sondern auch aus schmerzhaften Emotionen, die sich in der Pubertät und später im Erwachsenenleben dazugesellen und die zum großen Teil von der Stimme des Ego erschaffen werden. Der emotionale Schmerz ist dein unvermeidlicher Begleiter, sobald ein falsches Selbst deine Lebensgrundlage bildet.

Dieses Energiefeld alter, aber noch sehr lebendiger Emotionen, das jeder Mensch in sich trägt, ist der Schmerzkörper. Der Schmerzkörper ist jedoch seinem Wesen nach nicht nur auf das Individuum beschränkt, er hat auch Anteil an dem Schmerz, den unzählige Menschen im Lauf der Menschheitsgeschichte, einer Geschichte von anhaltenden Stammeskriegen, Sklaverei, Plünderung, Vergewaltigung, Folter und anderen Formen der Gewalt, erlitten haben. Dieser Schmerz ist in der kollektiven Psyche der Menschheit noch immer lebendig und wird täglich vermehrt, wie man sieht, wenn man die Abendnachrichten im Fernsehen oder die Beziehungsdramen bei seinen Mitmenschen sieht. Der kollektive Schmerzkörper ist wahrscheinlich in der DNS jedes Menschen verschlüsselt, obwohl er dort noch nicht entdeckt wurde.

Jedes Neugeborene trägt bereits einen emotionalen Schmerzkörper in sich. Der ist bei einigen in mancher Hinsicht schwerer und fester als bei anderen. Manche Babys sind die meiste Zeit über recht fröhlich. Andere scheinen eine enorme Menge unglücklicher Gefühle in sich zu haben. Es ist wahr, dass manche Säuglinge viel schreien, weil ihnen nicht genügend Liebe und Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, aber andere schreien aus keinem ersichtlichen Grund, als versuchten sie, alle Menschen in ihrem Umkreis ebenso unglücklich zu machen, wie sie selbst sind, was ihnen oft genug auch gelingt. Sie sind mit einem großen Anteil an menschlichem Schmerz auf die Welt gekommen. Andere Säuglinge schreien vielleicht häufig, weil sie die negativen Emotionen von Vater oder Mutter spüren, die sie schmerzen und die dazu führen, dass ihr Schmerzkörper jetzt schon wächst, weil er Energie vom Schmerzkörper der Eltern in sich aufnimmt. Wie die Lage auch sein mag, während der physische Körper des Kindes wächst, wächst auch der Schmerzkörper.

Ein Kind, dessen Schmerzkörper leicht ist, muss nicht unbedingt im Erwachsenenalter spirituell »fortgeschrittener« sein als jemand mit einem starken Schmerzkörper. Tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall. Leute mit einem starken Schmerzkörper haben normalerweise eine bessere Chance, spirituell zu erwachen als solche mit einem relativ schwachen. Während einige von ihnen weiterhin in ihrem starken Schmerzkörper gefangen bleiben, erreichen viele andere einen Punkt, an dem sie ihr Unglücklichsein nicht länger ertragen können, und sind dann stark dazu motiviert, zu erwachen.

Warum ist der leidende Christus, dessen Gesicht vor Qual verzerrt ist und dessen Körper aus zahllosen Wunden blutet, ein so bedeutsames Bild im kollektiven Bewusstsein der Menschheit? Millionen Menschen, besonders im Mittelalter, hätten keinen so tiefen Bezug dazu gehabt, wenn es nicht eine verwandte Saite in ihnen hätte anklingen lassen und sie darin nicht unbewusst eine äußere Darstellung ihrer eigenen inneren Wirklichkeit gesehen hätten – ihres Schmerzkörpers. Sie waren noch nicht so bewusst, dass sie es direkt in sich selbst hätten erkennen können, aber es war der Beginn ihrer Bewusstwerdung. Christus kann als der archetypische Mensch verstanden werden, der sowohl den Schmerz als auch die Möglichkeit der Schmerzüberwindung verkörpert.

Wie sich der Schmerzkörper erneuert

Der Schmerzkörper ist ein halb autonomes Energiesystem, das in den meisten Menschen anzutreffen ist, ein Gebilde, das aus Emotionen besteht. Er besitzt eine eigene primitive Intelligenz ähnlich einem listigen Tier, und diese Intelligenz dient überwiegend dem Überleben. Wie alle Lebensformen muss er regelmäßig Nahrung – neue Energie – zu sich nehmen, und das, womit er sich versorgt, ist Energie, die seiner eigenen entspricht, also eine ähnliche Wellenlänge hat. Jede emotional schmerzliche Erfahrung kann dem Schmerzkörper als Nahrung dienen. Darum blüht er auch bei negativen Gedanken und dramatischen Beziehungsproblemen auf. Der Schmerzkörper ist eine Sucht nach Unglücklichsein.

Es mag dich schockieren, wenn dir zum ersten Mal bewusst wird, dass etwas in dir regelmäßig nach emotionaler Negativität und Unglücklichsein verlangt. Und es erfordert mehr Bewusstheit, um das nicht nur bei anderen, sondern auch bei dir selbst zu erkennen. Sobald das Unglücklichsein von dir Besitz ergriffen hat, willst du gar nicht mehr davon lassen und gierst förmlich danach, anderen das Leben genauso zur Qual zu machen wie dir selbst, um dich an ihren negativen emotionalen Reaktionen zu weiden.

Bei den meisten Menschen hat der Schmerzkörper eine aktive und eine inaktive Phase. Wenn er inaktiv ist, vergisst du leicht, was für eine schwere dunkle Wolke, für einen schlummernden Vulkan du in dir trägst, je nach Energiefeld des jeweiligen Schmerzkörpers. Wie lange er inaktiv bleibt, ist von Mensch zu Mensch verschieden: im Allgemeinen sind es ein paar Wochen, manchmal aber auch Monate oder nur ein paar Tage. In seltenen Fällen hält der Schmerzkörper jahrelang Winterschlaf, bis er durch irgendein Ereignis geweckt wird.

Wie Gedanken den Schmerzkörper nähren

Immer wenn er Hunger hat und es Zeit wird, sich zu stärken, erwacht der Schmerzkörper aus seinem Schlaf. Oder er wird durch irgendein beliebiges Ereignis aktiviert. Für einen Schmerzkörper, der sich stärken will, kann das unbedeutendste Ereignis der Auslöser sein, etwas, das jemand sagt oder tut oder auch nur ein Gedanke. Wenn du allein lebst oder zu dem betreffenden Zeitpunkt gerade allein bist, zehrt der Schmerzkörper von deinen Gedanken. Dein Denken wird plötzlich durch und durch negativ. Du bist dir wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass kurz vor dem Umschwung deiner Gedanken ins Negative eine Welle von Emotionen in dir aufstieg — als schwere, düstere Stimmung, als Angst oder lodernde Wut. Alles Denken ist Energie, und von dieser Energie deiner Gedanken zehrt der Schmerzkörper jetzt. Aber nicht jeder Gedanke ist Nahrung für ihn. Du brauchst nicht besonders sensibel zu sein, um zu bemerken, dass ein positiver Gedanke eine völlig andere Gefühlstönung hat als ein negativer. Es handelt sich zwar um die gleiche Energie, aber sie schwingt in einer anderen Frequenz. Ein glücklicher, positiver Gedanke ist für den Schmerzkörper unverdaulich. Er kann sich nur von negativen Gedanken ernähren, weil nur sie mit seinem Energiefeld übereinstimmen.

Alle Dinge sind Felder aus vibrierender Energie, die unaufhörlich in Bewegung ist. Der Stuhl, auf dem du sitzt, und das Buch, das du in der Hand hältst, erscheinen dir nur fest und bewegungslos, weil deine Sinne ihre Schwingungsfrequenz — die unablässige Bewegung ihrer Moleküle, Atome, Elektronen und subatomaren Teilchen, die zusammen das bilden, was für dich ein Stuhl, ein Buch, ein Baum oder ein Körper ist, nicht anders wahrnehmen kön­nen. Was wir als physische Materie wahrnehmen, ist Energie, die ein bestimmtes Schwingungsspektrum aufweist. Gedanken bestehen aus der gleichen Energie wie Materie, die jedoch mit einer höheren Frequenz schwingt, weshalb sie auch nicht sichtbar sind und nicht berührt werden können. Gedanken haben einen eigenen Frequenzbereich, wobei negative Gedanken das untere und positive Gedanken das obere Ende der Skala einnehmen. Die Frequenz des Schmerzkörpers hat das gleiche Niveau wie die Schwingungen negativer Gedanken, und deshalb können solche Gedanken den Schmerzkörper nähren.

Das gewöhnliche Muster, nach dem das Denken Emotionen erzeugt, wird im Fall des Schmerzkörpers auf den Kopf gestellt. Zumindest anfangs. Vom Schmerzkörper ausgelöste Emotionen übernehmen schnell die Kontrolle über dein Denken, und wenn dein Geist erst einmal vom Schmerzkörper vereinnahmt worden ist, werden deine Gedanken negativ. Dann wird dir die Stimme in deinem Kopf traurige, beunruhigende oder wütende Geschichten von dir und deinem Leben, von anderen Menschen, der Vergangenheit, der Zukunft oder von imaginären Ereignissen erzählen. Die Stimme wird tadeln, beschuldigen, klagen, ausmalen. Und du wirst dich vollkommen mit dem identifizieren, was die Stimme sagt, und all ihre krummen Gedanken glauben. An dem Punkt fängst du an, süchtig nach dem Unglücklichsein zu werden.

Nicht, dass du den Strom negativer Gedanken nicht mehr anhalten könntest — du willst es gar nicht. Das liegt daran, dass der Schmerzkörper durch dich lebt und vorgibt, du zu sein. Und für den Schmerzkörper ist Schmerz ein Genuss. Er verschlingt eifrig jeden negativen Gedanken. Die Stimme, die für gewöhnlich in deinem Kopf erklingt, ist inzwischen zur Stimme des Schmerzkörpers geworden. Dieser kontrolliert jetzt den inneren Dialog. Ein Teufelskreis ist entstanden zwischen dem Schmerzkörper und deinem Denken. Jeder Gedanke nährt den Schmerzkörper, und der Schmerzkörper seinerseits produziert neue düstere Gedanken. Irgendwann nach Stunden oder Tagen ist er satt und fällt wieder in seinen Schlaf zurück; er hinterlässt einen ausgelaugten Organismus und einen Körper, der jetzt viel anfälliger ist für Krankheiten. Wenn das in deinen Ohren nach einem psychischen Schmarotzer klingt, liegst du richtig. Genau das ist er.

Wie Dramatik den Schmerzkörper nährt

Wenn andere Menschen in der Nähe sind, vor allem dein Partner oder ein enger Verwandter, versucht der Schmerzkörper, sie zu provozieren, sie auf die Palme zu bringen, wie man sagt, um sich an dem Drama zu laben, das sich dann entfaltet. Schmerzkörper lieben intime Beziehungen und Familien, weil sie dort am besten ihr Futter finden. Es ist schwer, dem Schmerzkörper eines anderen Menschen zu widerstehen, der dich unbedingt zu einer Reaktion bringen will. Er erkennt instinktiv, wo du am schwächsten und verletzlichsten bist. Wenn er beim ersten Mal keinen Erfolg hat, versucht er es immer wieder. Es ist blanke schmerzende Empfindung auf der Suche nach mehr. Der Schmerzkörper der anderen Person will deinen Schmerzkörper wecken, damit sich die beiden Schmerzkörper gegenseitig Energie zuführen können.

Viele Beziehungen durchlaufen regelmäßig von Gewalt gekennzeichnete, zerstörerische Schmerzkörperphasen. Für ein kleines Kind ist die emotionale Gewalt der Schmerzkörper seiner Eltern schier unerträglich, und doch teilen Millionen Kinder in aller Welt dieses Schicksal, diesen Alptraum ihres Lebensalltags. Das ist eine der Hauptarten, wie der menschliche Schmerzkörper von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nach jeder Phase versöhnen sich die Partner, und es tritt eine Zeit relativen Friedens ein, solange das Ego es zulässt.

Vor allem bei Männern aktiviert exzessiver Alkoholgenuss häufig den Schmerzkörper, aber auch bei manchen Frauen. Wenn jemand betrunken ist und der Schmerzkörper die Kontrolle übernimmt, macht er eine totale Persönlichkeitsveränderung durch. Ein zutiefst unbewusster Mensch, dessen Schmerzkörper sich gewohnheitsmäßig durch physische Gewalt sättigt, wendet diese oft gegen seinen Partner oder seine Kinder. Kaum ist er wieder nüchtern, tut es ihm aufrichtig leid, er gelobt Besserung und meint es auch so. Derjenige, der das sagt und verspricht, ist aber nicht identisch mit dem, der die Gewalttätigkeiten begeht, und darum ist gewiss, dass es immer wieder geschehen wird, bis er endlich zu Bewusstsein kommt, den Schmerzkörper in sich selbst erkennt und die Identifikation mit ihm aufhebt. Manchmal hilft eine psychologische Beratung dabei.

Die meisten Schmerzkörper wollen sowohl Schmerzen zufügen als auch erleiden, aber manche sind vorwiegend eins von beidem: entweder Täter oder Opfer. In jedem Fall zehren sie von Gewalt, ob emotional oder physisch. Manche Paare, die glauben, sich ineinander verliebt zu haben, füh­len sich in Wirklichkeit nur zueinander hingezogen, weil ihre jeweiligen Schmerzkörper sich gut ergänzen. Gelegentlich sind die Rollen von Täter und Opfer bereits bei der ersten Begegnung klar verteilt. Manche Ehen sind wahrhaftig statt im Himmel in der Hölle geschlossen worden!

Wenn du jemals mit einer Katze zusammengelebt hast, weißt du, dass die Katze, auch wenn sie zu schlafen scheint, genau mitbekommt, was vor sich geht, weil sie beim leisesten unbekannten Geräusch die Ohren spitzt und unter Umständen auch die Augen leicht öffnet. Bei schlummernden Schmerzkörpern ist es genauso. Auf einer bestimmten Ebene sind sie stets wach, bereit, zur Tat zu schreiten, wenn der richtige Auslöser da ist.

In intimen Beziehungen sind Schmerzkörper oft so schlau, sich so lange zurückzuhalten, bis die Partner zusammenleben oder, noch besser, einen Ehevertrag unterzeichnen, mit dem sie sich verpflichten, ein Leben lang beieinander zu bleiben. Du heiratest nicht nur eine Person, sondern auch deren Schmerzkörper — und sie deinen. Es kann ein ganz schöner Schock sein, wenn du, kurz nachdem ihr zusammengezogen seid, oder nach den Flitterwochen plötzlich feststellst, dass die andere Person eine totale Persönlichkeitsveränderung durchmacht. Mit einer Stimme, die auf einmal hart oder schrill ist, macht sie dir Vorwürfe, beschuldigt dich oder brüllt dich an, und das meist wegen einer Bagatelle. Oder sie kapselt sich ab. »Was ist los?«, fragst du. »Nichts ist los«, sagt sie. Aber die extrem feindselige Atmosphäre, die sie verbreitet, sagt dir: »Alles Scheiße.« Schaust du ihr in die Augen, siehst du kein Licht mehr darin; es ist, als sei ein schwerer Vorhang gefallen, und das Wesen, das du kanntest und liebtest und das zuvor aus dem Ego herausleuchtete, ist jetzt vollkommen verhüllt. Eine völlig Fremde scheint dich anzublicken und in diesem Blick liegt Hass, Feindseligkeit, Verbitterung oder Wut. Wenn sie redet, ist es nicht mehr dein Partner oder Ehepartner, sondern der Schmerzkörper, der aus ihr spricht. Was sie sagt, ist die Wirklichkeitsversion des Schmerzkörpers, eine Wirklichkeit, die stark verzerrt ist von Angst, Feindseligkeit, Wut und der Lust, Schmerz zuzufügen und selbst noch mehr Schmerzen zu leiden.

An diesem Punkt fragst du dich etwa, ob es sich da­bei vielleicht um das wahre Gesicht deines Partners handelt, das du vorher nie gesehen hattest, und ob es nicht ein schrecklicher Fehler war, diese Person zu erwählen. Natürlich ist es nicht das wahre Gesicht, es ist nur der Schmerzkörper, der vorübergehend von ihr Besitz ergriffen hat. Es dürfte schwer sein, einen Partner zu finden, der keinen Schmerzkörper hat, aber es wäre sicher weise, jemanden zu wählen, dessen Schmerzkörper nicht allzu korpulent ist.

Massive Schmerzkörper

Manche Leute haben einen massiven Schmerzkörper, der nie wirklich schlummert. Sie mögen lächeln und sich höflich unterhalten, aber man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten zu haben, um das geballte Gefühl des Unglücklichseins dicht unter der Oberfläche zu spüren, das nur darauf wartet, dass endlich etwas geschieht, worauf es reagieren kann, dass endlich jemand auftaucht, den es beschuldigen oder angreifen kann; dass endlich wieder etwas eintritt, worüber es unglücklich sein kann. Ihr Schmerzkörper ist immer hungrig und bekommt nie genug. Er verstärkt das Bedürfnis des Ego nach Feinden noch.

Da diese Menschen besonders leicht reizbar sind, bauschen sie relativ unbedeutende Dinge unverhältnismäßig groß auf und bemühen sich, andere in ihr Drama mit hineinzuziehen, indem sie sie zu einer Reaktion zwingen. Manche lassen sich auf Streitigkeiten oder Gerichtsprozesse mit Einzelnen oder Organisationen ein, die sich endlos hinziehen und im Grunde sinnlos sind. Andere werden von einem zwanghaften Hass gegen ihren Expartner oder ihre Expartnerin verzehrt. Da sie sich des Schmerzes, den sie in sich tragen, nicht bewusst sind, projizieren sie ihn durch ihre Reaktion auf Ereignisse und Situationen. Aufgrund eines vollständigen Mangels an Bewusstheit machen sie keinen Unterschied zwischen einem Ereignis und ihrer Reaktion auf dieses Ereignis. Für sie enthält das äußere Ereignis, die äußere Situation ihr Unglücklichsein und sogar ihren Schmerz. In ihrer Blindheit der eigenen inneren Verfassung gegenüber wissen sie nicht einmal, dass sie zutiefst unglücklich sind und leiden.

Manchmal setzen sich Leute mit einem so massiven Schmerzkörper kämpferisch für eine bestimmte Sache ein. Unter Umständen handelt es sich sogar um eine gute Sache, und manchmal haben sie anfangs auch Erfolg und bewirken etwas; doch ihre negative Energie, die in das einfließt, was sie sagen und tun, und ihr unbewusstes Bedürfnis nach Gegnerschaft und Konflikt sorgen meist dafür, dass sich zunehmend mehr Widerstand gegen das, wofür sie kämpfen, aufbaut. Normalerweise schaffen sie sich am Ende sogar Feinde im eigenen Lager, denn wo immer sie auch hingehen, sie finden immer Gründe, um sich schlecht zu fühlen, und so bekommt ihr Schmerzkörper weiterhin genau das, wonach er verlangt.

Unterhaltung, Medien und der Schmerzkörper

Wenn dir unsere gegenwärtige Zivilisation fremd wäre, weil du aus einem anderen Zeitalter oder von einem anderen Stern kamst, würde dich eins wirklich in Erstaunen versetzen: dass Millionen Menschen es genießen und dafür bezahlen, zuzuschauen, wie Menschen einander töten und sich gegenseitig Leid zufügen, und dass sie dies »Unterhaltung« nennen.

Warum ziehen gewalttätige Filme solche Zuschauermassen an? Es gibt eine ganze Branche, die zu einem großen Teil die menschliche Sucht nach dem Unglücklichsein bedient. Die Leute schauen sich solche Filme offensichtlich an, um sich elend zu fühlen. Was im Menschen ist es, das sich gern schlecht fühlt und dies gut findet? Natürlich der Schmerzkörper. Ein Großteil der Unterhaltungsindustrie beliefert ihn mit Nahrung. Der Schmerzkörper erneuert sich also nicht nur direkt durch Überreiztheit, negatives Denken und persönliche Dramatik, sondern auch auf dem Umweg übel: Film und Fernsehen. Schmerzkörper schreiben die Drehbücher für die Filme und produzieren sie, und Schmerzkörper bezahlen dafür, sie sich anzuschauen.

Ist es immer »falsch«, in Film und Fernsehen Gewalt zu zeigen oder sich anzuschauen? Führt all diese Gewalt dem Schmerzkörper Nahrung zu? Im gegenwärtigen Entwicklungsstadium der Menschheit ist Gewalt nicht nur überall anzutreffen, sie ist auch noch auf dem Vormarsch, da sich das alte Egobewusstsein, vom kollektiven Schmerzkörper unterstützt, vor seinem unabwendbaren Niedergang noch intensiviert. Wenn Filme die Gewalt in den größeren Zusammenhang stellen und zeigen, wo ihre Wurzeln liegen und wozu sie führt, was sie mit dem Opfer und dem Täter macht, welches kollektive Bewusstsein dahinter steckt und wie es von Generation zu Generation weitergegeben wird (in Form von Wut und Hass, die als Schmerzkörper im Menschen leben), dann können solche Filme einen entscheidenden Beitrag zur Erweckung der Menschheit leisten. Sie können der Menschheit einen Spiegel vorhalten, indem sie ihre Geistesstörung sieht. Das in dir, was den Irrsinn als Irrsinn erkennt (selbst wenn es dein eigener ist), ist geistige Gesundheit, ist erwachende Bewusstheit und damit das Ende der Störung.

Solche Filme gibt es, und sie geben dem Schmerzkörper keine Nahrung. Einige der besten Antikriegsfilme zeigen die Wirklichkeit des Krieges, statt ihn zu verherrlichen. Der Schmerzkörper kann nur an Filmen zehren, in denen Gewalt als normales oder gar wünschenswertes menschliches Verhalten gezeigt oder die Gewalt aus dem einzigen Grund verherrlicht wird, um negative Empfindungen beim Betrachter auszulösen und damit seinem nach Leid süchtigen Schmerzkörper einen »Schuss« zu geben.

Die populäre Boulevardpresse verkauft keine Nachrichten, sondern in erster Linie negative Empfindungen — Nahrung für den Schmerzkörper. »Gräueltat« oder »Monsterkiller» leuchtet es einem in fetten Schlagzeilen entgegen. Die britische Boulevardpresse ist Meister dieses Fachs. Sie weiß, dass sich negative Emotionen erheblich besser verkaufen als faktische Informationen.

In den Nachrichtenmedien einschließlich des Fernsehens herrscht generell die Tendenz vor, negative Nachrichten zu verbreiten, je schlimmer etwas ist, um so mehr begeistert sich die Berichterstatterin oder der Berichterstatter und diese Begeisterung am Negativen teilt sich häufig durch die Medien direkt mit. Nichts liebt der Schmerzkörper mehr.

Der kollektive weibliche Schmerzkörper

Die kollektive Dimension des Schmerzkörpers besteht aus verschiedenen Elementen. Stämme, Völker, Rassen, sie alle haben einen eigenen kollektiven Schmerzkörper, an dem sie manchmal schwerer tragen als andere, und die meisten Angehörigen eines Stammes, Volkes oder einer Rasse haben mehr oder weniger stark Anteil daran.

Fast jede Frau hat Anteil am kollektiven weiblichen Schmerzkörper, der kurz vor dem Einsetzen der Menstruation besonders stark aufzuleben pflegt. Zu diesem Zeitpunkt werden viele Frauen von intensiven negativen Gefühlen überschwemmt.

Die Unterdrückung des weiblichen Prinzips vor allem in den letzten 2000 Jahren hat das Ego in die Lage versetzt, die absolute Oberherrschaft über die kollektive menschliche Psyche anzutreten. Natürlich haben auch Frauen ein Ego, aber das Ego kann in der männlichen Form schneller Wurzeln schlagen und wachsen als in der weiblichen. Das liegt daran, dass Frauen sich weniger mit ihrem Verstand identifizieren als Männer. Sie sind mehr mit ihrem inneren Körper und der Intelligenz des Organismus verbunden, wo die intuitiven Fähigkeiten ihren Ursprung haben. Die weibliche Form ist weniger in sich verschlossen als die männliche, sie zeigt eine größere Offenheit und Sensibilität für andere Lebensformen und ist naturverbundener.

Wenn das Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Energien auf unserer Erde nicht zerstört worden wäre, hätte das Ego nicht in dem Maße wachsen können. Dann hätten wir der Natur nicht den Krieg erklärt und uns nicht so sehr unserem Sein entfremdet.

Niemand kennt die genauen Zahlen, weil es keine Aufzeichnungen darüber gibt, aber es gilt als gesichert, dass in einem Zeitraum von 300 Jahren drei bis fünf Millionen Frauen von der »heiligen Inquisition« gefoltert und ermordet wurden, einer Institution, die von der römisch-katholischen Kirche zur Unterdrückung der Ketzerei ins Leben gerufen wurde. Dies ist, zusammen mit dem Holocaust, sicher eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Es reichte damals schon, dass eine Frau tierlieb war, allein in Wald und Flur spazieren ging oder Heilpflanzen sammelte, um als Hexe gebrandmarkt, gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Das heilige Weibliche wurde zum Dämonischen erklärt und die menschliche Erfahrung um eine ganze Dimension ärmer. Andere Kulturen wie das Judentum, der Islam und selbst der Buddhismus haben ebenfalls die weibliche Dimension unterdrückt, aber weniger gewaltsam. Der Status der Frau wurde herabgesetzt, sodass sie nur noch Kindergebärerin und Besitz des Mannes war. Männer, die das Weibliche auch in sich selbst verleugneten, regierten nun die Welt, eine Welt, die völlig aus dem Gleichgewicht geriet. Alles Übrige ist Geschichte oder vielmehr eine Fallgeschichte des Irrsinns.

Wer war für diese Angst vor dem Weiblichen, die nur als akute kollektive Paranoia bezeichnet werden kann, verantwortlic. Wir könnten sagen: Natürlich waren Männer dafür verantwortlich. Aber wie kommt es dann, dass in vielen alten, vorchristlichen Zivilisationen wie etwa bei den Sumerern, den Ägyptern und den Kelten Frauen hoch geachtet waren und das weibliche Prinzip nicht etwa gefürchtet, sondern verehrt wurde? Was war es, wodurch Männer das Weibliche plötzlich als bedrohlich empfanden? Das in ihnen aufkeimende Ego. Es wusste, dass es die vollständige Kontrolle über diese Erde nur in männlicher Form erlangen würde, und dazu musste es das Weibliche entmachten.

Mit der Zeit ergriff das Ego auch von den meisten Frauen Besitz, aber es konnte sich in ihnen nie so festsetzen wie im Mann.

Inzwischen ist eine Situation entstanden, in der die Unterdrückung des Weiblichen verinnerlicht wurde, selbst von der Mehrzahl der Frauen. Das heilige Weibliche wird, da es so unterdrückt ist, von den meisten Frauen als emotionaler Schmerz empfunden. Dieser ist inzwischen in ihren Schmerzkörper übergegangen, zusammen mit all dem Schmerz, den sie in Jahrmillionen beim Gebären, durch Vergewaltigung, Versklavung, Folter und gewaltsamen Tod angesammelt haben.

Aber heute verändern sich die Dinge rapide. In dem Maße, in dem die Bewusstheit der Menschen zunimmt, verliert das Ego seinen Zugriff auf das menschliche Denken. Da es in Frauen nie tief verwurzelt war, verliert es bei ihnen schneller seinen festen Halt als bei Männern.

Der Schmerzkörper von Völkern und Rassen

Gewisse Länder, die besonders viele Akte kollektiver Gewalt erlebt oder begangen haben, besitzen einen stärkeren kollektiven Schmerzkörper als andere. Darum haben ältere Völker im Allgemeinen einen stärkeren Schmerzkörper. Und deshalb haben jüngere Länder wie Kanada und Australien oder solche, die vor dem Irrsinn ringsum besser geschützt waren wie etwa die Schweiz, einen schwächeren kollektiven Schmerzkörper. Trotzdem haben die Bewohner dieser Länder natürlich an ihrem persönlichen Schmerzkörper zu tragen. Wenn man genügend Feingefühl besitzt, kann man eine gewisse Schwere im Energiefeld mancher Länder wahrnehmen, sobald man aus dem Flugzeug steigt. Bei einigen Ländern spürt man ein Energiefeld latenter Gewalt dicht unter der Oberfläche des Lebensalltags. Bei anderen, zum Beispiel im Nahen Osten, ist der kollektive Schmerzkörper so akut, dass ein bedeutender Teil der Be­völkerung sich gezwungen sieht, ihn in einem endlosen, irrsinnigen Kreislauf von Vergeltungstaten abzureagieren, wodurch er sich ständig erneuert.

In Ländern mit starkem, aber nicht mehr akutem Schmerzkörper, gibt es die Tendenz. sich nach Möglichkeit in den kollektiven Schmerz zu desensibilisieren: in Deutschland und Japan durch Arbeit, in einigen anderen Ländern durch allgemeinen Alkoholkonsum (Der allerdings die gegenteilige Wirkung haben kann – nämlich den Schmerzkörper wieder anzuregen, besonders, wenn er im Übermaß genossen wird.) Chinas starker Schmerzkörper wird bis zu einem gewissen Grad durch die weit verbreitete Praxis des Tai-Chi gemildert, die erstaunlicherweise von der kommunistischen Regierung nicht verboten wurde, obwohl diese sich sonst von allem bedroht fühlt, was sie nicht unter Kontrolle bringen kann. Diese Bewegungsmeditation, die den Geist beruhigt, wird überall auf den Straßen und in den Parks praktiziert. Das hat eine beträchtliche Wirkung auf das kollektive Energiefeld und vermindert den Schmerzkörper, indem es das Denken reduziert und Präsenz ausstrahlt.

Spirituelle Übungen, die den physischen Körper einbeziehen, wie Tai Chi, Qigong und Yoga erfreuen sich auch in der westlichen Welt immer größerer Beliebtheit. Diese Übungen führen keine Spaltung von Körper und Geist herbei und sind gut geeignet, den Schmerzkörper zu schwächen. Sie werden eine wichtige Rolle spielen für das globale Erwachen.

Der kollektive Schmerzkörper ist besonders stark ausgeprägt beim jüdischen Volk, das jahrhundertelang verfolgt wurde. Es ist kaum zu verwundern, dass er auch bei den indianischen Ureinwohnern Amerikas, deren Zahl von den europäischen Siedlern stark dezimiert und deren Kultur fast völlig zerstört wurde, sehr groß ist. Auch die Afroamerikaner haben einen ausgeprägten kollektiven Schmerzkörper. Ihre Vorfahren wurden gewaltsam entwurzelt, in die Unterwerfung geprügelt und in die Sklaverei verkauft. Amerika verdankt die Grundlegung seines wirtschaftlichen Wohlstands im Wesentlichen der Fronarbeit von vier bis fünf Millionen schwarzen Sklaven. Das Leid, das über die Indigenen und Afroamerikaner der Vereinigten Staaten gebracht wurde, ist jedoch nicht auf diese beiden beschränkt geblieben, sondern in den kollektiven Schmerzkörper der Amerikaner eingeflossen. Es ist immer so, dass Täter und Opfer gleichermaßen unter den Folgen von Gewalt, Unterdrückung und Brutalität leiden müssen. Denn was man anderen zufügt, tut man sich selbst an.

Es spielt im Grunde keine Rolle, für welchen Anteil deines Schmerzkörpers dein Volk oder deine Rasse verantwortlich ist und für welchen du persönlich. In jedem Fall wirst du nur darüber hinausgehen können, wenn du von nun an die Verantwortung für deine innere Verfassung selbst übernimmst. Auch wenn Kritik mehr als gerechtfertigt erscheint, fütterst du, solange du anderen Schuld zuweist, den Schmerzkörper mit deinen Gedanken und bleibst in deinem Ego gefangen.

Es gibt nur einen Übeltäter auf der Erde: die menschliche Unbewusstheit. Diese Erkenntnis führt zu wahrer Vergebung. Mit der Vergebung löst sich die Opferidentität auf und deine wahre Kraft kommt zum Vorschein — die Kraft der Gegenwärtigkeit. Statt die Dunkelheit zu beklagen, bringst du das Licht.